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Geschichte

Das Gerichtswesen bis 1852

Im Jahre 1383 erhielt Walsrode vom damaligen Herzog das Weichbildrecht von Celle verliehen, d.h. praktisch das dort geltende Recht und damit die Stadtrechte. Mit dieser Verleihung bekam Walsrode ebenfalls die Gerichtsbarkeit für seinen Bereich. Jedoch durften Stadt und Kloster nur die sogenannte Niedergerichtsbarkeit ausüben, den Herzögen war zum größten Teil die Obergerichtsbarkeit vorbehalten.

Die Gauverfassung verschwand in der Zeit vom 12. bis 13. Jahrhundert. An ihre Stelle trat die Gliederung in Vogteien und Ämter, die bis in das 19. Jahrhundert erhalten blieb.

Im Altkreis Fallingbostel (heutiger Amtsgerichtsbezirk Walsrode) bestanden die Ämter Essel, Ahlden, Rethem und Fallingbostel sowie das Klosteramt Walsrode für den Bereich des Klosters. Letzteres war das kleinste aller Ämter. Bis zum Jahre 1852 bildete die verwaltungsmäßige Einteilung in Ämter auch die gerichtsmäßige Gliederung und Verwaltung und Rechtspflege waren nicht getrennt. Der jeweilige Sitz des für ein Amt zuständigen Vogtes diente auch gleichzeitig als Standort des für das Amt kompetenten Gerichts. Im Bereich des Altkreises Fallingbostel wurden zum Beispiel auch in Dorfmark, Fallingbostel, Ostenholz und Kirchboitzen Gerichtstage abgehalten. Bis zum 1. Februar 1850 bestand ein Patrimonialgericht in Altenwahlingen und bis zum 17. Dezember 1852 eine gleiche Einrichtung in Stellichte.

Die "Große Justizreform" und ihre Folgen

Der entscheidende Einschnitt in der Geschichte der Gerichtsbarkeit des Raumes Fallingbostel / Walsrode erfolgte durch das Inkrafttreten der sogenannten "Großen Justizreform" im Königreich Hannover am 1. Oktober 1852. König Ernst August und seine Berater Ludwig Windthorst (damaliger Justizminister), Adolf Leonhardt (Advokat in Hannover), Johann Stüve (damaliger Innenminister) und Otto Albrecht von Düring (ehemaliger Justizminister und Vorstand des Justizministeriums) brachten dem Land mit dieser umfassenden Reform nicht nur ein neues und für diese Zeit bahnbrechendes Verfahrensrecht in Zivil- und Strafsachen, sondern auch eine grundlegende Neuregelung der Gerichtsverfassung (Staatsanwaltschaften, Gerichte) und damit auch die Trennung zwischen der allgemeinen Verwaltung und der Justiz.

Durch das Gesetz vom 8. November 1850 (Gesetz über die Gerichtsverfassung), die Verordnung vom 7. August 1852 und die Verfassungsnovelle vom 5. September 1848 wurden mit Wirkung vom 1. Oktober 1852 im Königreich Hannover insgesamt 168 Amtsgerichte eingerichtet. Im Bereich des Altkreises Fallingbostel handelte es sich um die Amtsgerichte in Ahlden, Rethem, Fallingbostel und Walsrode. Im Jahre 1859 verringerte sich die Zahl der Amtsgerichte im Königreich Hannover auf 104. Dies hatte zur Folge, dass am 1. März 1859 die Amtsgerichte in Rethem und Fallingbostel aufgelöst und deren Zuständigkeiten auf die Amtsgerichte Walsrode und Ahlden übertragen wurden.

Trotz allem waren die Anfänge der Justiz in Walsrode bescheiden. Mehrere Jahrzehnte lang genügte das alte Rathaus (später altes Amtsgericht) als gemeinsamer Sitz für Stadtverwaltung und Amtsgericht. Interessant in diesem Zusammenhang ist sicherlich auch, dass sich im Jahre 1852 der damalige Bürgermeister und Stadtrichter Walsrodes, der Advokat Wilhelm Ludwig Barth entschloss, sein Amt aufzugeben, um erster Amtsrichter in Walsrode zu werden.

Das Amtsgericht Walsrode war von Anfang an für die einfache und zum Teil mittelschwere Kriminalität, außerdem für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (bis zu einer gewissen Wertgrenze), für Konkurse und insbesondere für die Freiwillige Gerichtsbarkeit (Vormundschaftssachen, Nachlasssachen usw.) zuständig. Ebenso wurde dem Amtsgericht bereits 1852 das Hypothekenwesen (heute Grundbuchsachen) zugewiesen. So wirkte das Amtsgericht Walsrode in den folgende Jahrzehnten als Zivil- und Strafgericht und als Institution der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Aufgaben des Anerben- bzw. Landwirtschaftsgerichts, des Entschuldungs- und des Mieteinigungsamtes usw. kamen ebenfalls hinzu.

Das Gesetz über die Gerichtsverfassung des Königreichs Hannover war in maßgeblichen Punkten vorbildlich für die großen gesamtdeutschen Reichsjustizgesetze von 1877. Das erste reichseinheitliche Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 trat am dann 1. Oktober 1879 in Kraft und hatte zur Folge, dass an die Stelle des bisherigen Aufbaues der ordentlichen Gerichte die Aufgliederung in Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und das Reichsgericht trat. Der Landgerichtsbezirk Verden umfasste fortan auch die Amtsgerichte Ahlden und Walsrode.

Die Justiz nach 1945 bis zur Gegenwart

Nach dem Zweiten Weltkrieg - und dem kurzzeitigen Stillstand der Rechtspflege, der durch die Schließung der Amtsgerichte auch Walsrode (bis Dezember 1945) betraf - stieg der Arbeitsanfall erheblich an. Während sich die Bevölkerungszahl durch den Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen steigerte, erhöhte sich auch die Zahl der Prozesse. Damit stieg die Zahl der Richter und der übrigen Bediensteten entsprechend.

Im Jahre 1973 vergrößerte sich der Amtsgerichtsbezirk Walsrode erstmals wieder seit 1859. Durch ein Gesetz vom 7. März 1973 wurde das Amtsgericht Ahlden aufgelöst und mit seinem Bezirk dem Walsroder Gericht zugeschlagen.

Am 1. Juli 1977 ging die Zuständigkeit der Familiensachen von den Landgerichten auf die Amtsgerichte über. Die Amtsgerichte waren fortan für Ehescheidungen und andere Familiensachen zuständig.

Durch Inkrafttreten der Insolvenzordnung und des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 wurde das Amtsgericht Walsrode neben der Bearbeitung der eigenen Insolvenzverfahren auch für die Bearbeitung der Insolvenzverfahren aus dem Amtsgerichtsbezirk Rotenburg (Wümme) zuständig.

Gemäß Verordnung des Niedersächsischen Justizministeriums vom 6. Juni 2001 und 23. Oktober 2001 ging die Zuständigkeit des Handelsregisters und des Genossenschaftsregisters der Amtsgerichtsbezirke Rotenburg (Wümme) und Nienburg (Weser) am 1. Januar 2002 auf das Amtsgericht Walsrode über. Aufgrund dieser Verordnung wurde die Zahl der Registergerichte in Niedersachsen auf 40 Gerichte reduziert.

Durch eine EU-Vorgabe (sog. SLIM-IV-Richtlinie) muss in allen EU-Mitgliedsländern die Automation der Handels- und Genossenschaftsregister bis zum 31. Dezember 2006 umgesetzt sein. Im Kosteninteresse hat die Niedersächsische Landesregierung Ende 2004 beschlossen, zeitgleich mit der europarechtlich vorgeschriebenen Automation der Registerführung eine weitergehende Konzentration durchzuführen.

Aus diesem Anlass wurde die Zahl der Niedersächsischen Registergerichte zum 1. August 2005 auf insgesamt 11 Gerichte reduziert. Das Amtsgericht Walsrode wurde aufgrund dieser Verordnung zentrales Registergericht für den gesamten Landgerichtsbezirk Verden und damit für die Führung des Handels- ,Genossenschafts- und Vereinsregisters ausschließlich zuständig.


Die Gerichtsgebäude

Altes Amtsgericht   Bildrechte: Archiv Henning Wolff

Altes Gerichtsgebäude bis 1987

Seit Gründung der Amtsgerichte im Jahre 1852 war das Amtsgericht Walsrode im alten Rathaus (später alten Amtsgericht) in der Langen Straße 18 ansässig. Mehrere Jahrzehnte lang genügte das Gebäude als gemeinsamer Sitz für Stadtverwaltung und Amtsgericht. Im Jahre 1904 bezog die Stadtverwaltung das damals neue Rathaus (jetzt altes Rathaus und derzeitiges Standesamt). Damit war die Justiz allein in dem besagten Gebäude untergebracht, dass 1912 für 13.000 Mark in das Eigentum des sogenannten Justizfiskus überging. Durch den ständigen Anstieg der Geschäftszahlen erhöhte sich auch die Zahl der Richter und der anderen Bediensteten. Bedingt durch diese Entwicklung wurde 1977 die erste Nebenstelle in der Lange Straße 20 (altes Rathaus) gegründet. Eine weitere Nebenstelle in der Lange Straße 29 (heutiges Amtsgerichtsgebäude) kam dann 1982 hinzu.

Neues Amtsgericht   Bildrechte: Amtsgericht Walsrode

Neues Gerichtsgebäude seit 1987

Aufgrund des steigenden Platzbedarfes und der zwischenzeitlichen Aufteilung auf ein Hauptgebäude und zwei Nebenstellen, begannen die Planungen für ein neues Amtsgericht. Der Umzug in das neue Gebäude (Lange Straße 29-33) wurde nach Fertigstellung der umfangreichen Baumaßnahmen im Dezember 1987 realisiert. Aufgrund der Entscheidung des Niedersächsischen Justizministeriums für Walsrode als einen der 11 Standorte der zentralen Registergerichte in Niedersachsen, wurde 2006 das Gebäude nochmals aus- und umgebaut.

Bildrechte: Amtsgericht Walsrode
Bildrechte: Amtsgericht Walsrode


Historie des heutigen Gerichtsgebäudes

Lange Straße 29   Bildrechte: Archiv Henning Wolff

Lange Straße 29

Das Haus wurde vor 1757 als stattliches Kaufmannshaus mit Holzverkleidung auf der Parzelle des früheren Sternschen Freihofes erbaut. Als eines der wenigen Häuser überstand es die große Brandkatastrophe vom 6. Juli 1757. Im Obergeschoss ist das Haus ausgestattet mit einem prächtig dekorierten "Königssaal" mit Neo-Rokoko-Stilelementen. Der Königssaal wurde 1863 anlässlich der Feierlichkeiten zur Volljährigkeit des damaligen Kronprinzen Ernst-August von Hannover neu gestaltet. Das Gebäude wurde 1813 - 1943 von der Fabrikantenfamilie Wolff als Wohnhaus genutzt.

Lange Straße 31-33   Bildrechte: Archiv Henning Wolff

Lange Straße 31

1863 wurde durch den bekannten hannoverschen Architekten Prof. Conrad Wilhelm Hase ein westseitiger Backsteinanbau mit historisierenden Stilelementen der Neugotik zu Kontorzwecken errichtet.

Lange Straße 33

1900 wurde das Kontorhaus durch den Architekten August Ziegenhorn, Hannover, erweitert. Das neue Kontorhaus erhielt eine Backsteinfassade im neugotischen Stil mit turmförmiger Dachausbildung, polygonalem Erker und eine Tordurchfahrt unter Korbbögen mit Kreuzgratgewölben. Im Hofinneren befanden sich eine Remise und ein Stallgebäude. Die Kontorhäuser Lange Straße 31 und 33 wurden nach 1933 vermietet.

Das gesamte Gebäude (Lange Straße 29-33) wurde 1987 umgebaut und durch einen großzügigen Erweiterungsbau den Bedürfnissen des Amtsgerichts angepasst.


Bildrechte historische Bilder: Archiv Henning Wolff

Geschichte Bildrechte: Archiv Henning Wolff
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